Jede Menge Stoff für Geschichten: zu Besuch bei Tostmann Trachten.

Ein Tostmann Dirndl trägt man ein Leben lang.

Heute erzähle ich euch eine Geschichte über einzigartige Qualität und Handwerkskunst, die bis in das Jahr 1949 zurückgeht – als Jochen und Marlen Tostmann im malerischen Seewalchen am Attersee als Zweimannbetrieb mit einem Handwebstuhl und einer alten Nähmaschine mit der Herstellung von Dirndln, Trachten und kunstgewerblichen Handwerksstücken beginnen. 2015 feiert Marlen Tostmann ihren 100. Geburtstag. Obwohl die Firmenhistorie zweifelsohne lesenswert ist (https://www.tostmann.at/firmenchronik/), handelt diese Geschichte nicht von der Vergangenheit, sondern von der Philosophie des Hauses, von selbstbewussten und mutigen Entscheidungen, beeindruckender Konsequenz, sympathischem Understatement und spannenden Charakteren. Es ist eine Geschichte über die Einzigartigkeit eines Tostmann Dirndls und sie wird sowohl aus der Sicht einer ehemaligen Mitarbeiterin (so durfte ich vor circa 10 Jahren für eine paar Monate bei der Firma in Wien arbeiten), als auch aus der Perspektive einer dankbaren Firmenkundin erzählt.
 
Wie so viele neue Kapitel, beginnt auch dieses mit den Gefühlen, die aufkommen, wenn man eine Räumlichkeit betritt. Also nehme ich euch mit auf meinen Ordertermin im letzten Oktober. Die Wiesn ist gerade gut überstanden und nachdem das Thema Tracht medial, sozial und geschäftlich bis ins letzte Detail besprochen ist, sehnt man sich nach etwas Ruhe und Einkehr. Und genau die findet man, wenn man das Haus der Firma betritt. Außerdem gibt es hier jede Menge Raum. Raum für Inspiration und Freude. Freude an Farben und Stoffen, Schnitten und Formen, Vielfalt und Handwerk. Also an allem, worum es uns geht und was uns bewegt und immer wieder erfüllt.
 
Zuschnitt, Schneiderei, Kreative, Showroom, Verwaltung – hier ist alles unter einem Dach. Unaufgeregt und selbstverständlich, als würde dies jeder so praktizieren. Tatsächlich aber sind sie die Einzigen.
Jeder Saum, jede Borte, jedes Detail, neue Ideen und Schnitte – alles entsteht in diesen Räumlichkeiten. Regionale Handarbeit und Fertigung in Österreich, individuelle Kleinserien, maximale Flexibilität und kein Kompromiss bei Qualität und Verarbeitung.
 
Für viele Berater und selbsternannte Zahlenvirtuosen ein Mythos vergangener Zeiten. Hier wird seit Jahren das Gegenteil zukunftsweisend gelebt. Für uns hat diese Haltung Vorbildfunktion und ist einer der Gründe, warum wir neben unserer Hauslinie im Bereich Dirndlgewand fast ausschließlich auf die Firma Tostmann Trachten setzen.

Doch zurück zu unserer Geschichte: Wir befinden uns im Showroom. Irene, eine der treusten und langjährigen Mitarbeiterinnen des Hauses, präsentiert uns stolz ein Teil der neuen Kollektion, – alles sei zwar noch nicht fertig, aber wir dürften,wie immer, natürlich auch unsere eigenen Ideen einbringen und einen Blick ins Stofflager werfen, in dem wir schon so oft noch ein Schmuckstück für unsere Kollektionen entdeckten. (Gerade freuen wir uns beispielsweise auf ein grünes Corddirndl – also seid gespannt.)

Wir atmen durch. Das ist unsere Welt. Eine Welt in der es nicht darum geht, so viel und so schnell wie möglich mit maximalem Profit zu produzieren. Sondern stetig und gesund zu wachsen. Das Gewand aufzutragen, umzuändern, mitwachsen zu lassen. Nicht zu imitieren und auf vermeintliche Trends aufzuspringen, sondern dem eigenen Stil treu zu bleiben und ihn gleichzeitig weiter zu entwickeln. Auch die Designerin Vivienne Westwood erkannte das und brachte in Zusammenarbeit mit der Firma Tostmann Trachten das Dirndl und extravagante Tracht-Couture Designs auf den Laufsteg nach Paris.

Nach unserem Ordertermin gehen wir in die Bandlkramerey. Das Café und gleichzeitig Museum für den Familienfundus der Firma, öffnete 2015 seine Pforten und wurde mit Respekt vor dem Bestand und einem hohen Anspruch an Nachhaltigkeit renoviert, kernsaniert und umgebaut. Hier treffen wir auf Gexi Tostmann und Anna Tostmann-Grosser, die zusammen mit ihrem Mann die Geschäfte führt. Wir tauschen uns aus. Über Tracht, über aktuelle Entwicklungen und Anspruch – nicht nur an die Arbeit, sondern auch an sich selbst. Über Kompromisse und die Wichtigkeit gesunder Firmenstrukturen. Auch hier ist das Konzept und der Geist des Hauses allgegenwärtig und unverkennbar. Die Gerichte sind frisch zubereitet, die Zutaten saisonal, die Auswahl der Karte nicht riesig, dennoch ist für jeden das Passende dabei, die (geistige) Architektur lädt zum Verweilen.

Die Geschichte ist bis jetzt nur eine Einleitung zahlreicher spannender Episoden, über die man wöchentlich mehrere Abhandlungen schreiben kann. Da wir kein Ende finden würden, erzählen wir euch sehr gerne persönlich mehr bei Eurem nächsten Besuch.

Unsere 5 Fragen an Anna Tostmann-Grosser

Der Geist des Hauses, die Philosophie – aufgesetztes Momentum oder kommt das Tun aus dem Sein allein? Befruchtet das eine das Andere?
Tatsächlich muss ich oft schmunzeln, dass viele Dinge, die bei uns seit Jahrzehnten selbstverständlich sind, heute (glücklicherweise) von vielen Unternehmen als “Philosophie” propagiert werden. Unsere Firma wurde in den harten Nachkriegsjahren gegründet, da war ein sparsamer und respektvoller Umgang mit Materialien lebensnotwendig und ist dadurch bei uns eine gelebte Selbstverständlichkeit.

Was waren deine „persönliche” Meilensteine, die für dich am Entschiedensten oder Wegweisendsten in der Firmenchronik über drei Generationen?
Von firmen- und familieninternen Geschehnissen abgesehen, waren es sichlich die Begegnungen mit besonderen Persönlichkeiten, die unser Geschäft besuchten, wie etwa Tina Turner oder Dita von Teese. Der Besuch der Pariser Fashion Week, wo die von uns gefertigten Weswood Dirndl am Laufsteg zu sehen waren, gehörte definitiv auch zu den Highlights.

Tradition – wenn du für den Duden eine Defintion für dieses schreiben düftest – wie lautet diese?
Für den Duden vielleicht ein wenig zu emotional…:Das Weitergeben von Bräuchen, Riten und Handlungen- kann etwas Wunderschönes sein, dennoch besteht immer wieder die Gefahr, dass unter dem Deckmantel der “Tradition” Unrechtes geschieht.

Was bedeutet für dich Heimat?
Ich verbinde damit unendliche Dankbarkeit.

Der Stil des Hauses – kurz und knapp in drei bis fünf Sätzen.
Einerseits zeitlos und klassisch, trotzdem lebendig. Und auch sehr persönlich, da wir nur Dinge machen, zu und hinter denen wir stehen.

 

Zum Abschluss noch ein großes Dankeschön vom Tegernsee an den Attersee für die vertrauensvolle Zusammenarbeit der letzten Jahre, für die Geduld mit unseren eigenen Ideen, die wir oftmals in letzter Minute mitbringen, für deren Umsetzung und den Beweis, dass es eben doch auch anders geht.